aufzubauen. Doch so ist es nicht. Und so sind Menschen hier bei uns, die vielleicht nie in ihrem Leben einem Christen begegnet wären. Könnte das für uns nicht eine einzigartige Chance sein?
Durch uns können sie die Liebe Gottes kennen lernen, durch uns können sie Jesus begegnen. Nicht durch kluge Worte - es wird sowieso einige Zeit dauern, bis wir eine gemeinsame Sprache sprechen - sondern dadurch, was wir sind und was wir tun, wie wir miteinander und mit ihnen umgehen.
Durch die Taufe und den Glauben sind wir ein Teil Jesu. Wir leben in ihm und er lebt in uns. Durch uns will er handeln. Wir sind ein Teil des Leibes Christi, ein Tempel in dem Gott wohnt, die Visitenkarten Gottes auf Erden. Durch uns bekommt Jesus immer wieder ein Gesicht, zwei Hände und zwei Beine in der Welt.
„Wenn wir die Liebe zum Nächsten praktizieren, verehren wir Gott und wir begeben uns auf den Weg zu Ewigkeit. Durch die Nächstenliebe lassen wir Gott in uns sein Werk vollenden. Durch die Liebe überlassen wir uns ganz Gott. Und es ist Er, der in uns handelt, und wir sind es, die in Ihm und durch Ihn und mit Ihm handeln“. So Robert Kardinal Sarah in dem sehr empfehlenswerten Buch Gott oder Nichts. Ein Gespräch über den Glauben (fe-medienverlag 2015).
Zu diesen Gedanken haben mich die Worte von Nida aus Afghanistan gebracht. Weil er Kinder unterrichtete, war sein Leben in Gefahr und er musste aus Afghanistan fliehen. Er landete im über 4,500 km (Luftlinie) entfernten Österreich in Krimml.
Man spürt, wie bewegt er ist, wenn er über die Krimmler schreibt. „Sie lieben die Menschen“ schreibt er. Und diese Liebe hat in ihm etwas verändert. Von klein an wird den Kindern in Afghanistan eingeimpft, dass die Europäer eine Gefahr sind. Und nun erlebt er etwas anderes. „Menschen die eine andere Kultur und Religion haben, sind gut zu uns“ sagte er einmal gerührt.
Vielleicht hatte Nida auch nur Glück, oder wie wir als religiöse Menschen sagen würden: Es was ein Geschenk, ein Segen, eine Gnade, dass er bei uns Zuflucht gefunden hat. Er hätte in einem Lastwagen oder im Bauch eines Schiffes ersticken können, oder sonst ein Furchtbares Schicksal erleiden.
Wäre er auf dem Weg gestorben, hätte es seine Familie überhaupt erfahren? Wäre er begraben worden? Wer hätte um ihn geweint?
Wenn wir einmal sterben, so vertrauen wir darauf, dass viele Menschen zusammen kommen um für uns zu beten, einander zu trösten, und uns nach dem Begräbnis noch einmal hochleben zu lassen. Und die Männer, Frauen und Kinder die auf der Flucht sterben, sind sie nur eine Zahl auf dem Papier?
Gott sei Dank ging ein Ruck durch Österreich, als der furchtbare Lastwagen mit den Toten gefunden wurde. Kein Mensch soll, ja darf so sterben, so oder so ähnlich hat das wie mir scheint ganz Österreich empfunden.
Besuche ich Einheimische drehen sich die Gespräche oft um dieses Thema. Ich schaue aus dem Fenster und sehe die Berge. Dann denke ich mir: Wie kann es in einer Welt, die so wunderschön ist, so furchtbare Dinge geben. Es gäbe genug Platz, genug zu essen und zu arbeiten für alle auf der Welt. Jeder Mensch könnte in Frieden leben. Das Leben hätte weiterhin seine Härten und Schwierigkeiten, Freud und Leid blieben weiterhin Hand in Hand unsere Begleiter. Aber es ginge irgendwie.Aber warum nur schaffen Menschen für andere Menschen so eine Hölle auf Erden? Es ist beängstigend, wie furchtbar Menschen sein können, wie das Böse überhand nehmen kann, wenn Gott vergessen oder die eigenen Wünsche (Macht, Geld, Überlegenheit, Auserwähltheit) als Gott ausgegeben werden.
Es wäre zum verzweifeln, gäbe es nicht noch etwas anderes. Menschen können gut sein. Menschen können heil sein und heil spenden, sie können Heilige sein. Glücklich der Mensch, der sagen kann einmal in seinem Leben einem Heiligen begegnet zu sein. Es gibt Menschen, die ihr Leben für andere, sogar fremde Menschen hingeben, so wie Jesus es getan hat. Es gibt gute Menschen.
„Jesus wusste, was im Menschen ist“ heisst es im Johannesevangelium. Er kennt das eine wie das andere. Er weiss um alles was in uns steckt, die Fähigkeit Furchtbares zu tun und die Fähigkeit gut zu werden. Jesus zeigt uns durch sein ganzes Leben und durch jedes seiner Worte wie wir uns auf den Weg machen können gut zu werden, egal wie unser bisheriges Leben war. Denn er ist barmherzig, er verzeiht und liebt uns.
Wenn Menschen auf der Flucht zu uns kommen und etwas von dieser Liebe Jesu erfahren, dann haben wir gewonnen. Dann wird das Böse, das Morden und Brandschatzen nicht siegen. Das Gute wird das letzte Wort haben. Die Liebe wird das letzte Wort haben. Gott wird das letzte Wort haben.
(aus Pfarrbrief Herbst 2015)
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